wiegen
- irisrabensteiner
- 15. Feb.
- 2 Min. Lesezeit
Und ich wiege dich und summe unser Einschlaflied.
Mal wippe ich auf dem Bett, dann gehe ich Kreise im Zimmer.
Du auf meinem Arm – unruhig. Es scheint dir heute sehr schwer zu fallen, in den Schlaf zu finden.
Schon zwei Fehlversuche haben wir hinter uns, dich in dein Bettchen zu legen.
Ich hab’s riskiert und eigentlich schon gespürt: es war zu früh.
Lied zu Ende, nächste Runde.
Du tastest mit deiner kleinen Hand mein Gesicht ab, legst sie dann auf meinen Hals.
Dich scheint das Vibrieren meiner Stimmbänder zu beruhigen.
Und ich wiege dich weiter.
Meine Arme werden müde und ich erinnere mich wieder daran, einen Rücken zu haben.
Du bist kein kleines Baby mehr - das spüre ich in diesem Moment so deutlich, wie sonst nie.
Zum 10. Mal starte ich unser Einschlaflied und wenn ich ehrlich bin,
kann ich mich selbst eigentlich gar nicht mehr hören.

Endlich sind deine Äuglein zugefallen und es scheint, als würdest du fast schlafen.
Ich lasse mich nicht mehr vom Schein täuschen, will nichts mehr riskieren und
beginne im Kopf zu zählen “100-99-98-97...”
Noch immer streichelst du mit deiner Hand meine Halspartie, du wirkst entspannt.
Ich höre meine Stimme summen “guten Abend, gute Nacht...” das 12. Mal.
“67-66-65" und im Kopf purzeln die Zahlen weiter.
Hin und Her.
Auf und Ab.
Gedanken kreisen: “wir hätten mit dem Wiegen nie anfangen sollen...”
“Ist das nur bei uns so?”, “Wie machen das andere?”
52-51-50...
“Es ist ja nicht immer so – zum Glück!”, “Großteils braucht es keine 10 Minuten,
da nehm ich das Wiegen doch gern in Kauf”, “Irgendwann wird er das nicht mehr brauchen”
33-32-31...
“was habe ich erwartet? War doch klar...er ist schließlich auch erkältet”,
“ich hätte spazieren gehen sollen...”,
“wer hat schon Lust fünf Stunden am Tag spazieren zu gehen”...
Ich sehne mich nach einem Cafè und lasse die Gedanken ziehen.
25-24-23....
Ich spüre ein leises Kribbeln im linken Arm, dein Kopf ist darin gebettet
und wirkt nun zehnmal schwerer, als er eigentlich ist.
Deine Augen sind geschlossen geblieben, du atmest ruhig.
18-17-16...
Ich drehe eine weitere Runde im Zimmer, ein letztes Mal “guten Abend, guten Nacht...”
10-9-8...
Dann kommt der große Moment: alles entscheidend.
Ich bete innerlich und wage nicht mir vorzustellen, dass es der 3. Fehlversuch sein könnte.
Was dann? Was sollte ich dann noch machen? Bitte bitte bitte....
Behutsam senke ich dich Richtung Bettchen – deine Augen noch zu.
Puh, das sieht schon mal nicht schlecht aus... Ganz langsam und sanft lege ich dich hinein,
auf die linke Seite, so wie ich es immer mache. Meine Hände bleiben einen Moment noch
auf deinem Rücken und ich summe unser Einschlaflied – vielleicht das 20. Mal – zu Ende.
Du: ruhig. Reglos, nur dein sanftes und gleichmäßiges Ein- und Ausatmen erfüllt den Raum und Moonie-Bär.
Ich schleiche mich aus dem Zimmer. Ich atme tief ein und aus.
Langsam verschwindet das Kribbeln in meinem linken Arm und das Gefühl kehrt zurück.
Unfassbar – das war unser persönlicher Rekord!
“Das ist nur eine Phase, es geht vorüber” höre ich mich selbst zu mir sagen...
“Du kannst mich mal...” - ist meine Antwort.
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